Schwitzend sitze ich in einem Hipstercafé in Canggu auf Bali und beobachte gelangweilt das Treiben auf der Straße. Junge Mädchen mit wehenden blonden Haaren sausen auf Rollern vorbei. „Warum tragen die alle keinen Helm?“ frage ich den Fotografen, der mir gegenübersitzt und dabei ist schnell noch ein paar Postkarten zu schreiben. „Tja, das würde wohl die Frisur kaputtmachen“ antwortet er und liegt damit wahrscheinlich leider richtig.
Aussehen ist in Canggu alles. Braungebrannte Surferboys und leichtbekleidet Pseudohippies prägen das Straßenbild. Sie sind ausgerüstet mit allem, was das Leben instagram macht: Surfbord, wehende Haare, teure Smartphones und viel viel Zeit. Nicht nur einmal haben wir eine oder einen von ihnen dabei beobachtet, wie sie oder er im Restaurant auf den Stuhl gestiegen ist um den „Poached egg avocado toast“ besser fotografieren zu können. Essen wird hier nur konsumiert, wenn es gut oder gesund aussieht. der Geschmack ist zweitrangig, den sieht man auf dem Foto ja nicht.“Lass uns nach Hause gehen“ seufze ich müde und winke der Kellnerin, damit wir unsere superduper Vollkorntortillas mit superfoodiger Megafüllung bezahlen können.
„Zuhause“ das ist für die nächsten fünf Tage ein totally instagrammable Appartement mit eigenem Pool, stylischer Küche und kuscheligem Schlafzimmer. Vollklimatisiert natürlich!
Um dorthin zu gelangen müssen wir allerdings, wenn wir nicht eine Stunde Umweg laufen wollen über eine Kuhweide laufen, anschließend führt uns ein schmaler Pfad durch große Pfützen an einer wackeligen Wellblechbude vorbei. Hier sehen wir die ersten Einheimischen des Tages, die nicht kellnern oder Souvenirs verkaufen. Eine Gruppe junger Männer sitzt in der löchrigen Hütte auf dem Boden und spielt Karten. Wir sind auch schon einmal Nachts hier vorbeigekommen. Nachts dient der Wellblechverschlag als Schlaflager. Ungefähr 20 Personen liegen kreuz und quer auf ungefähr 15qm Bretterboden.
Wir laufen weiter und kommen an einem der wenigen authentischen Restaurants vorbei. Auch dies ist nicht mehr als eine Hütte vor der streunende Hunde ihr Geschäft verrichten und wir auf dem matschigen Lehmboden fast ausrutschen. Jetzt nur noch durch ein bisschen Gestrüpp und wir sind fast da. Vor uns die niegelnagelneue Siedlung zu der unser Appartement gehört. Der Sicherheitsmann scrollt im Schatten eines Bäumchens durch seinen Facebookstream und grüßt uns freundlich, unser Appartement ist angenehm kühl, das Bett frisch gemacht und das Frühstücksgeschirr abgewaschen. Die Welt ist wieder instagram.
Bali lässt mich grübeln. Noch nie habe ich mich so reisemüde gefühlt und noch nie habe ich mich am Ende einer Reise so sehr auf Zuhause gefreut. Ich erinnere mich an früher. An die Zeiten zu denen ich völlig planlos an fremde Orte gereist bin und dort absolut entzückt darüber war, einfach nur dort zu sein. Woanders als zuhause! Fremde Gerüche, Geschmäcker und Geräusche. Fremde Menschen, anderes Klima und eine andere Natur.
Wohin ist dieses Gefühl verschwunden? Auch ich ertappe mich dabei mich nach der nächsten Fotogelegenheit umzusehen und die Herzen in meinem Instagramfeed zu checken. Gleichzeitig widert mich die Fassade, die besonders Orte wie Canggu aufweisen immer mehr an. Es ist so offensichtlich, dass keiner der hier lebenden Einheimischen oder wenn dann nur sehr wenige vom Tourismus profitieren. Alle Restaurants, Cafés und Hotels werden von Nicht-Indonesiern geführt. Klar, sie beschäftigen die Einheimischen als Personal, berauben sie aber vorher ihrer Lebensgrundlage indem sie Reisfelder billig kaufen und dort ihre Immobilienklötze hinsetzen. Ich ärgere mich darüber das wir mit unserem Hiersein dieses System unterstützen und stelle gleichzeitig amüsiert fest, dass ich Campingurlaube an der Ostsee deutlich mehr genießen kann als das Leben in diesem klimatisierten Wohntraum. Es ist halt nur nicht so fotogen.
Ein Gutes hat das Ganze: ich nehme mir vor in Zukunft anders zu reisen. Kritischer, aber hoffentlich auch spontaner, genussvoller und bewusster.
Ich bin neugierig. Nach welchen Kriterien sucht ihr eure Reisezielen aus?