Verstehst du, warum manche Menschen ihren Urlaub in einem Zelt verbringen? Auf dem Boden schlafen, in einem Schlafsack, der zu eng ist und dich fast erwürgt sobald du dich bewegst. Mit einem gefalteten Pullover als Kopfkissen, weil ein echtes Kissen zuviel Gepäck bedeutet hätte oder weil du es mal wieder vergessen hast. Nachts frieren und kalte Füße und sobald die Sonne rauskommt unerträgliche Hitze.
Wenn du Glück hast und mit dem Auto unterwegs bist, hast du vielleicht einen Stuhl dabei oder sogar einen Tisch. Natürlich ist nie genug Geschirr da und die Kochutensilien reichen auch nicht aus um anständig zu kochen. Aber das macht nichts, du hast ja sowieso nur den alten Campingkocher mit der halbleeren Gaskartusche dabei.
Die Waschräume oder das Plumpsklo oder der nächste Busch sind meistens ewig weit weg und die Dusche, wenn es eine gibt, ist kalt oder dauerbesetzt oder teuer.
Ich denke oft darüber nach, wieso ich mir diese Art von Unterkunft antue
Z.B. dann, wenn ich nicht schlafen kann, weil ein Maulwurf direkt unter mir anfängt zu wühlen.
Wenn ich nicht schlafen kann, weil draußen ein Gewitter tobt, das Zelt im Sturm bebt und ich Angst habe, dass es vielleicht doch nicht so wasserdicht ist, wie der nette Herr im Outdoorshop versprochen hat.
„It always rains on tents. Rainstorms will travel thousands of miles, against prevailing winds for the opportunity to rain on a tent.“
Dave Berry
Wenn ich nicht schlafen kann, weil ich dummerweise das Zelt zu dicht an der Festivalbühne aufgestellt habe, die Party draußen bis 7 Uhr morgens geht und ich meine Ohropax vergessen habe.
Wenn ich nicht schlafen kann, weil ich Ohropax benutze und das Gefühl habe, dass mein Trommelfell bald durchbohrt wird.
Wenn ich nicht schlafen kann, weil ich zu lange auf der Seite gelegen habe, meine Isomatte zu dünn ist und mir die Hüfte wehtut.
Wenn ich nicht schlafen kann, weil jemand im Nachbarzelt so dröhnend schnarcht, dass sogar der Maulwurf aufgehört hat zu graben.
Wie kommt es dann, das einige Leute (mich eingeschlossen) völlig aus dem Häuschen sind bei der Aussicht auf einen Campingtrip?
So wirklich erklären kann ich das nicht.
Da ist nur das stolze Gefühl, dass du hast, wenn du dein eigenes Feuer entfacht hast und es den ganzen Abend brennt.
Oder die Person, mit der du all das teilst und die dir selbst in einem dunklen Wald voller Bären ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt.
Oder dieses unglaubliche Glücksgefühl das dich erfüllt, wenn du vom Wellenrauschen geweckt wirst, dir der Duft von Kaffee in die Nase steigt und du weißt, dass du dein Frühstück gleich mit Meerblick genießen wirst.
Oder die Einsamkeit, die dich manchmal in einer fremden Stadt überkommt, die sofort gestillt wird beim Gedanken an dein eigenes kleines Zuhause, zu dem du bei Nacht zurückkehren kannst.
Und dann natürlich die Freiheit dieses Zuhause am Morgen in deinem Rucksack verschwinden zu lassen und am nächsten Abend ganz woanders wieder aufstellen zu können.
„I’d rather live in a tent than in a house.“
Mary Leaky
Zelten ist allerdings nichts für jeden. Zur Veranschaulichung dessen füge ich hier ein Zitat aus einem Gespräch ein, das ich auf dem Dockville Festival in Hamburg mitgehört habe. Stell dir ein ca. 18jähriges Mädchen mit ihrer Freundin vor. Sie sitzen im Shuttlebus von der S Bahn Station zum Festivalgelände:
„Also ich wäre ja auch total gerne so ein Festivalmädchen, die das Ganze hier voll durchzieht und tagelang zeltet und so, – aber dafür bin ich einfach nicht strong genug!“
Dockville Besucherin
Bist du „strong“ genug?
Na dann happy camping!
Englische Version hier
In meiner Erinnerung verbinde ich zelten mit kalt, nass, klamm.
In der Gegenwart verbinde ich zelten mit Unabhängigkeit, Wahrhaftigkeit, Zufriedenheit.
Es resultiert zum einen aus einem anderen Blick auf das Leben, zum anderen aber auch aus einer um Längen besseren Ausrüstung.
Ich freu mich auch schon auf meine erste Radtour des Jahres mit meinem Zelt. Ich bin vielleicht nicht strong genug, aber alt genug zum Zelten!
Interessante Sichtweise „alt genug zum Zelten“ gefällt mir! 🙂