Unser Fahrer rast in halsbrecherischem Tempo einen kaum sichtbaren Pfad entlang, ich halte mich am Vordersitz fest und kneife die Augen zusammen, so geht das schon seit einer Stunde! Endlich wird das Auto langsamer und kommt zum Stehen. Ich öffne vorsichtig die Augen und sehe mich um. Um uns herum reiht sich ein grüner Hügel an den anderen. Aus den Lautsprechern dröhnen die Backstreet Boys. Der Fahrer steigt aus, geht ein paar Schritte, bleibt wieder stehen und schaut konzentriert in die Ferne.
Hat er sich verfahren? Mir wird noch mulmiger als mir ohnehin schon ist. Nicht nur die rasante Autofahrt, auch die Tatsache, dass wir die nächsten 5 Tage auf dem Pferderücken verbringen wollen, schlagen mir auf den Magen.
Was haben wir uns nur dabei gedacht? Der Fotograf saß erst einmal in seinem Leben auf einem Pferd und dann gleich eine 5tägige Tour? Mit 6 Stunden reiten täglich? In Deutschland erschien mir diese Idee noch romantisch und abenteuerlich, jetzt zweifle ich an meinem Verstand.
Die Backstreet Boys sind endlich fertig und werden von mongolischem Schlager abgelöst. Unser Fahrer hat sich noch nicht bewegt. Doch, jetzt kommt er zurück ins Auto und legt den Rückwärtsgang ein. Wir fahren los. Rückwärts. Nicht in die Richtung, aus der wir gekommen sind sondern weiter auf dem holprigen Pfad. 10 Minuten später erreichen wir wohlbehalten unser Ziel.
Das Jurtencamp liegt idyllisch zwischen den Hügeln, in der Ferne grasen Pferde und der Wind säuselt leise im Steppengras.
Ich atme für’s Erste auf. Die Fahrt haben wir überstanden, das Camp ist wunderschön und immerhin haben wir morgen einen Trainingstag an dem wir uns mit den Pferden vertraut machen können.
3 Stunden später
„Ok, der Plan für morgen: wir reiten alle zusammen gegen Mittag los und werden die gesamte Herde zu einem nahegelegenen See treiben, dort campen wir dann“ sagt Rob, der als Volunteer hier im Camp arbeitet. „Ihr beide braucht keinen Trainingstag, wir geben euch ruhige Pferde, die laufen ohnehin den anderen hinterher“. Aha, mein Magen meldet sich wieder. Unseren ersten Tag werden wir also als Cowboys verbringen. Der Fotograf ist ganz entspannt, während in meinem Kopf Bilder umeinanderpurzeln. Was wenn die Pferde in der großen Herde nicht zu halten sind? Was wenn der Fotograf nach dem ersten Tag die Lust verliert und abbrechen will? Was wenn einer von uns runterfällt? Was wenn das hier die dümmste Idee war, die ich je hatte? Unruhig liege ich später in unserer wunderschönen Jurte und lausche dem Gewitter, das draußen tobt. Auch das noch! Womöglich sind die Wege morgen total rutschig!
20 Stunden später
Ich sitze mit dem Rest der Gruppe im Gras und grinse. Niemals hätte ich mir ein solches Erlebnis vorstellen können, denke ich und erinnere mich an die wunderschönen Pferde, die wie ein großer Strom durch die felsigen Täler und über die grünen Hügel stürmten, an die kleinen Fohlen, die eifrig versuchten mit ihren Müttern Schritt zu halten, an den mongolischen Cowboy Bueno, der in den Steigbügeln stehend, fröhlich singend, lässig jeden Ausreißer wieder zurücktrieb, an den Fotografen, der so enspannt über die Wiese galoppierte, dass ihm niemand glauben wollte, dass er überhaupt keine Erfahrung mit Pferden hat und natürlich an mein eigenes Pferd, dass mich noch weitere 4 Tage tragen wird und das sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt. Was für ein Tag, was für ein Leben!
4 Tage später
Wehmütig bauen wir ein letztes Mal die Zelte auf. Ein letztes Mal essen wir gemeinsam ums Lagerfeuer versammelt zu Abend, ein letztes Mal schauen wir staunend in den gewaltigen Sternenhimmel, ein letztes Mal erinnern wir uns gemeinsam an den heutigen Ritt, an die großartige Landschaft, die wir durchquert haben, an die drolligen Eigenschaften unserer liebgewonnenen Vierbeiner und an die freundlichen Menschen, denen wir begegnet sind.
Ein letztes Mal singen uns der Steppenwind und das friedliche Rupfen und Mahlen unserer Pferde in den Schlaf und kurz bevor er eingeschlafen ist, öffnet der Fotograf noch einmal halb die Augen und murmelt „das war die beste Idee, die du je hattest„.